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Grazer Linuxtage 2011, 9. April

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David Ayers während der KeynoteBereits zum zweiten Mal in Folge hatte ich die erfreuliche Gelegenheit die Grazer Linuxtage zu besuchen (die wie im vergangenen Jahr aus einem Tag bestehen, der interessanterweise dennoch als Mehrzahl angeschrieben wird…).
Trotz deutlichem Schlafmangel schaffte ich es mein selbst gesetztes Ziel – bei der Keynote bereits dort und aufnahmefähig zu sein – einzuhalten. Dieses Erfolgserlebnis basierte auf dem Hintergedanken, dass die Keynote letztes Jahr zu den interessantesten Dingen der Veranstaltung gehörte.

Keynote – David Ayers

Die diesjährige Keynote wurde von David Ayers gehalten und das Thema lautete “Geschäfte mit der Freiheit”. In seinem Vortrag ging Ayers auf den generellen Unterschied zwischen “Freier Software” und “Open Source” ein und berichtete von einigen österreichischen Firmen, die es bereits geschafft haben, auf Open Source aufbauende, funktionierende Geschäftsmodelle zu entwickeln (beispielsweise LINBIT) sowie von international erfolgreichen Firmen wie Red Hat, Novell und Canonical. Der grundliegende Unterschied bei den präsentierten Firmen liegt aber in der angebotenen Leistung, seien doch die österreichischen Firmen hauptsächlich Projektfirmen. Besonderen Fokus bei seinem Vortrag legte Ayers auf einige ehrgeizige Projekte wie LibreOffice, kickstarter und flattr, die in den letzten Jahren aufgeblüht sind. Das Ziel, das man als Open Source Entwickler in der Wirtschaft anstreben sollte sei ein “ehrlicher Wirtschaftskreislauf”.
Die Folie über Oracle wurde von Ayers interessanterweise übersprungen.
Stände der Aussteller

Free Software and Art(ists)[...] – Peter Bubestinger

Der erste Vortrag für Anwender wurde von Peter Bubestinger gehalten, das Thema lautete Free Software and Art(ists): Here be dragons!. Ähnlich dem Vortrag letztens Jahres drehte sich diese Präsentation um das Entmystifizieren von Open Source Software. Dabei wurden zahlreiche Vorurteile gegenüber Open Source Software angesprochen, die der Vortragende sowie sicher einige Leser bereits gehört hatten, unter anderem dass Free Open Source Software (im folgenden FOSS) nicht professionell sei. Ähnliche Äußerungen lauteten, dass Software, die gratis sei, nichts wert sein könne oder die abstruse Behauptung, dass alle FOSS selbst kompiliert werden müsse. Weiters sei FOSS nicht benutzerfreundlich. Als Gegenbeispiel hierzu präsentierte Bubestinger allerdings Firefox, OpenOffice/LibreOffice und VLC. Dennoch sei der Tunnelblick vieler Künstler, die beruflich mit diversen proprietären Programmen zu tun haben oft verantwortlich für bedauerliche Vorkommnisse, wie bei einem vom Vortragenden erwähnten Fallbeispiel:

Eine Designerin kommt frisch nach dem Abschluss ihrer Ausbildung zu einem potentiellen Arbeitgeber, den Computer beladen mit teurer, proprietärer Software mit Schullizenzen. Sie ist sich bewusst, dass sie diese Versionen nicht verwenden darf. Der Arbeitgeber fragt, ob sie die Lizenzen für die von ihr benötigte Software selbst mitbringen würde, da die Firma nicht gewillt sei, sich die Lizenzen zu kaufen. Da sie sich ohne Arbeitsplatz diese Lizenzen allerdings nicht leisten kann, ist es ihr nicht möglich den Job anzunehmen.

Professionelle Software in den Bereichen Video, Audio und Grafik seien durchaus vorhanden, wie Projekte wie OpenEXR, CinePaint und Ardour beweisen. Das Problem sei, dass Professionallität zu oft mit Bekanntheitsgrad verwechselt werde.
Bubestinger erklärte zudem die “gegenseitige Spendenhilfe” in der FOSS Community, die beim Austausch zwischen einzelnen Projekten stattfindet.
Die Frage sei nun allerdings, woher FOSS bekannt sei, da sie keine Werbung mache. FOSS verbreitet sich durch Mundpropaganda wie beispielsweise auf Schulen, zwischen Freunden und unter Bekannten. Argumente wie fehlende Verbreitung sind völlig nichtig, da auf einer Unzahl von Rechnern VLC als Standardmediaplayer verwendet wird. Dass auf FOSS erzeugte Produkte teils plump aussehen lege allerdings am Künstler, nicht an der Software, denn ein unfähiger Künstler könne auch mit teurer Ausrüstung nicht besser sein.
Wichtiger Punkt hinter Bubestingers Kernaussage war die Tatsache, dass Künstler früher sehr oft Farben und Equipment modifiziert oder gar improvisiert haben um herausragende Endergebnisse zu erzielen; dies sei mit proprietären Programmen schlichtweg unmöglich.
Highlight war definitiv folgendes Zitat: “[...]das ist nicht nur für irgendwelche Kellernerds, da nehm ich mich selbst nicht aus davon.”
Der Linuxtag in vollem Gange

LibreOffice – Stefan Weigel

Der zweite von mir besuchte Vortrag drehte sich um LibreOffice. Stefan Weigel referierte über Die Freiheit, die ich meine. Er began seinen Vortrag mit einer kurzen Übersicht über die Geschichte von OpenOffice, sowie der Erklärung des Entwicklungsmodells von Open Office.[1]
Unter dem Motto “Wir sind gut. Aber wir können besser werden.” und mit dem Ziel zusätzliche freiwillige Entwickler aufzugabeln wurde die Document Foundation ins Leben gerufen. Sie bildet mit dem Produkt LibreOffice einen Fork von OpenOffice, da die Community mehr zu sagen haben und mehr Beiträge leisten wollte, als die Schirmherschaft von Oracle es ermöglichte. Die Stiftung basiert auf dem Prinzip einer Meritokratie und fand unter anderem durch Google und Novell große Unterstützung. Der Großteil der Linuxdistributionen habe seit einiger Zeit eine modifizierte Version von OpenOffice ausgeliefert und sei inzwischen auf LibreOffice umgestiegen. Die Abwandlung von OpenOffice geschah unter dem Gedanken “Aus Offen wird Frei”. Im Rahmen des Vorhabens, LibreOffice in die Verantwortung einer in Deutschland ansässigen Stiftung zu übergeben – dies geschah aufgrund von rechtlichen Bedenken [2] – wurde innerhalb von acht Tagen das für fünf bis sechs Wochen ausgesteckte Ziel erreicht 50.000€ einzusammeln. Weiters gingen die Code-Commits sprunghaft nach oben, da sich zu den nun aktiveren früheren OpenOffice Freiwilligen extrem viele neue freiwillige Entwickler gesellten, die unter anderem zuvor durch Bedenken an den Bedingungen des Projektes von der freiwilligen Teilnahme abgehalten wurden. Dieser Punkt wurde anschaulich durch eine Metapher und eine graphische Darstellung der Code-Commits verdeutlicht. Die neue Bezeichnung LibreOffice rührt daher, dass Oracle die Namensrechte an “OpenOffice” besitzt.
Weigel sprach auch über die mögliche Zukunft: Beiträge, die in OOo gemacht werden, können aus rechtlicher Sicht problemlos in LO eingeplegt werden, wohingegen die umgekehrte Richtung sich als schwierig gestalten könnte. Die Zukunft von LO jedenfalls bestehe für Anwender sichtbar in regelmäßigeren, engeren Releasezyklen.

Definiert man das Projekt durch die Menschen, die es mit Leben füllen, und durch den Geist, von dem es getragen wird, dann ist LibreOffice heute das, was früher einmal OpenOffice.org war.

Seine Widmung dem Projekt gegenüber demonstrierte der Vortragende zudem durch das Tragen eines “Ich libre dich”-T-Shirts. Für weitere Informationen bezüglich dem Unterschied für Anwender wird ein PDF angeboten.
Der allwissende Infostand

Gute Open-Source Projekte[...] – Michael Prokop

Der sich an Anwender richtende Vortrag zur Mittagszeit von Michael Prokop hatte den vollen Titel Gute Open-Source-Projekte bestehen aus mehr als nur Code, der Unteritel “Das Zen des Open-Source-Projektmanagements” beschreibt das Vorgetragene hier allerdings besser. Prokop referierte über diverse Grundlagen, die man beim Aufbauen und Arbeiten an einem Open Source Projekt beachten sollte. Viele dieser Prinzipien können allerdings auch generell auf Teamarbeiten umgelegt werden. Er startete die Präsentation mit einer Folie “Diese Folie ist in deinem Land nicht verfügbar.” um auf Lizenzschwierigkeiten von Open Source Projekten hinzuweisen. Weitere angesprochene Themen waren Namensgebung, Logodesign, Führungsstrategien (Wohlwollender Diktator, Meritokratie oder gewählte Regierung wie bei The Document Foundation), der Truckfactor, die Wichtigkeit der Rollenverteilung hinter Verteileradressen, Abwärtskompatibilität der Software. Er legte besonderen Fokus auf die “vertikale Skalierung”, sowie die Verwendung von dezentralisierten Versionskontrollsystemen wie Git und betonte die Notwendigkeit von “Clean builds”. Weitere wichtige Punkte seinen die Stresstestung der eigenen Software und möglichst guter Kontakt zu Paketmaintainern im Linux- bzw. BSD-Bereich und der Presse. Er schloss mit einemt Seitenhieb auf das allgegenwärtige Code-Reviewing. Es ist schließlich allgemein bekannt, dass der einzige Maßstab für Code-Qualität die Anzahl der “WTF?” pro Minute sind.
Prokop erwähnte weiterhin, dass viele Projekte auf Sourceforge tot oder ohne Maintainer seien. Der OpenStreetMap-Stand

Abschluss

Eigentlich hatte ich geplant, mir noch weitere Vorträge anzusehen, aber meine Aufnahmefähigkeit näherte sich aufgrund von Schlafmangel beschleunigt dem Nullpunkt, weswegen ich im Workshop Einführung in Linux – Warum wir es lieben… vorbeischaute, den Thomas Krug, ein guter Bekannter von der Universität abhielt und dort einen Teil meiner Expertise als ehemaliger Ubuntunutzer beitrug; den Abschluss des Tages bildete das Einsammeln der Fotos von mwallner, der als Fotograf heuer für black_caeser einsprang.
Ich plane zudem nächstes Jahr bei der Durchführung des Workshops von Anfang an mitzuhelfen.


Zusätzliche Informationen

[1] Info zum Entwicklungsmodell: OpenOffice ist ein Projekt mit einer sehr komplexen Hierarchie. Entscheidungen an dem Open Source Projekt werden hauptsächlich “versteckt” innerhalb von Oracle getroffen, da die allermeisten Code-Beiträge von Mitarbeiten Oracles (vormals SUN, bis zu deren Kauf durch Oracle) stammen. Der Großteil der Nicht-Code-Beiträge stammt von der Community. Code-Beiträge gehen automatisch in das Copyright von Oracle über.

[2] Info zu The Document Foundation: Der Grund für die Auswahl Deutschlands als Standort der Stiftung hat zweierlei Gründe. Der erste ist die Tatsache, dass gemäß deutschem Recht der einmal vom Gründer festgelegte Zweck einer Stiftung nicht mehr geändert werden kann. Der zweite Grund besteht aus der Tatsache, dass einige Initiatoren des Projektes in Deutschland ansässig sind.

Quellen:


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